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Chinesische Heilkräuter — Alles Quatsch?

Heilkräuter und Malaria

In der tra­di­tio­nel­len Medizin Chinas wird Beifuß unter den TCM-Heilkräutern als wirk­sa­mes Mittel gegen Erkrankungen mit Hitze und Kälte im Wechsel auf­ge­führt. Schon ca. 300 n.Chr. wird die Artemisia (Beifuß, Qing Hao) bei Erkrankungen mit Wechsel von Hitze und Kälte emp­foh­len. Alte chi­ne­si­sche Beschreibungen zei­gen, daß damit wohl Malaria als die bekann­te, durch Fieberschübe gekenn­zeich­ne­te Infektionskrankheit, gemeint ist.

Der renom­mier­te Sinologe und Medizinhistoriker Paul Unschuld stellt im Oktober 2015 in der Süddeutschen1)http://www.sueddeutsche.de/wissen/nobelpreis-fuer-malaria-forschung-chinas-genugtuung‑1.2684569 in einem schö­nen Artikel die Forschung der Pharmakologin Tu Youyou dar und bet­tet den Bericht über die­se Forschung in den medi­zin­hi­sto­ri­schen Hintergrund ein.

Unschuld beschreibt, wie Tu Youyou “den natür­li­chen Anti-Malaria-Wirkstoff Artemisinin in einer welt­weit ver­brei­te­ten Pflanze ent­deckt hat, die aber allein in der chi­ne­si­schen phar­ma­zeu­ti­schen Literatur seit mehr als 2000 Jahren beschrie­ben wor­den ist.”

Natürlich ist der Erfolg die­ser Forschung ein Erfolg der west­li­chen, wis­sen­schaft­li­chen Biomedizin. Aber man könn­te ihn auch als einen Hinweis dar­auf wer­ten, daß in der tra­di­tio­nel­len Heilkräuterkunde viel­leicht nicht alles nur Dummfug und Hokuspokus ist.

Unschuld: “… war in China in den 1960er-Jahren das Projekt 523 gestar­tet wor­den. Dessen Ziel war es, in der anti­ken chi­ne­si­schen Literatur nach Hinweisen auf Substanzen zu suchen, die gegen Malaria wirken.”

Weiter beschreibt Unschuld die Entwicklung: ” Erste Versuche, einen geeig­ne­ten Malaria-Wirkstoff in dem Kraut qing hao zu fin­den, ende­ten aller­dings unbe­frie­di­gend. Die extra­hier­ten Substanzen erziel­ten kei­nen hohen Wirkungsgrad. Erst als Tu Youyou sich noch ein­mal die Hinweise für die Aufbereitung anschau­te, die Ge Hong for­mu­liert hat­te, kam Tu Youyou die Idee, dass ein Auszug mit erhitz­ten Lösungsmitteln wohl nicht der rich­ti­ge Weg sei. In dem Rezept war von “ein­wei­chen und aus­wrin­gen” die Rede. Folglich nahm Tu Youyou eine kal­te Extraktionsflüssigkeit zu Hilfe. Das war der Anfang für die wei­te­re Entwicklung, die schließ­lich zum Artemisinin führ­te, bis heu­te eines der wich­tig­sten Malaria-Medikamente.”

Was ich mit alle­dem illu­strie­ren möch­te: Die Aufgabe eines Therapeuten für Traditionelle Chinesische Medizin ist es nicht nur, die rich­ti­gen Kräuterrezepturen für einen Patienten zu fin­den. Hilfreich ist wei­ter­hin, die tra­di­tio­nel­len Überlieferungen im Lichte moder­ner medi­zi­ni­scher und phar­ma­ko­lo­gi­scher Forschung zu bewer­ten und zu nutzen.

Literatur

Literatur
1 http://www.sueddeutsche.de/wissen/nobelpreis-fuer-malaria-forschung-chinas-genugtuung‑1.2684569
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Jens Heitmüller